Steinmeier wird Kanzlerkandidat, Beck tritt zurück, Münte kommt wieder – also ein ganz normaler Sonntag in der SPD?

Heute war mal wieder ein Tag an dem man für seinen Mitgliedsbeitrag ein ganz großes Theater zum Frühstück serviert bekommen hat. Ich habe mich so richtig darauf gefreut…

071028_bpt2007_035-600Das Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat werden würde wurde ja gestern abend schon verbreitet. Da in der SPD-Führung mindestens ein Leck ist wundert es einen leider nicht mehr wenn man das (und andere Sachen) im Vorfeld bereits in der Presse liest bevor es beschlossen wird. Aber, wer auch immer an der Entscheidung, Frank-Walter „Ich sag jetzt mal etwas ganz konkretes so weichgespült wie es nur Diplomaten können“ Steinmeier aufs Schild zu heben, mit rumgeschraubt hat, er hat die Rechnung ohne Kurt Beck gemacht. Der ist heute nämlich zurückgetreten.

080809_100-jahre-spd-kleve_121-600Nicht das ich Kurt unbedingt als Kanzlerkandidaten haben wollte (eigentlich ist von den Bekannten „da oben“ keiner wirklich gut geeignet), aber schade ist es doch das er von einigen in der Partei und vielen in den Medien weggemobbt wurde. Wann hatte die SPD schonmal einen Vorsitzenden, der so systematisch von der Presse runtergeschrieben wurde.Angesichts der heutigen Geschehnisse reden manche auch von einem Putsch. Schön, dann ist Andrea Nahles nicht mehr die einzigste, die einen Parteivorsitzenden auf dem Gewissen hat.

Franz MünteferingDas einzig Positive für mich ist das Franz Müntefering wieder zurückkommt. Er soll den Parteivorsitz (wieder) übernehmen.
Wenn jemand die Partei wieder einen kann dann er. Und da ist es mir egal ob er 68 ist oder nicht. Ein Hoffnungsträger? Naja, jedenfalls jemand der sich für die Partei opfert.

Leicht wird er es leider nicht haben. Die öffentlich wahrnehmbare SPD scheint nur noch aus zwei Flügeln zu bestehen. Der Rumpf, der eigentlich zwischen den Flügeln sein sollte, scheint nicht mehr zu existieren. An der Stelle sind nur noch ein paar Netzwerker, die die Seeheimer und die Linken verbinden. Uns, die Basis, haben die da oben wohl vergessen. Kein Wunder wenn der rote Adler SPD zur Zeit nicht mehr richtig fliegen kann, selbst segeln ist bei dem Flügelgeschlage nur noch schwer möglich.

Man möchte die heutige Personalentscheidung in der Parteispitze gerne als Neuanfang sehen. Mit neuer Kraft geschlossen marschieren, wieder hochkommen, wieder aufholen. Warten wir es ab, dafür war der personelle Wechsel meiner Meinung nach nicht groß genug. Die Heckenschützen in den eigenen Reihen lauern weiter auf alles, was deren eigenen Ziele gefährdet. „Hast Du einen Parteifreund, dann brauchst Du keinen Feind mehr“, an dem Spruch scheint wiedermal was dran zu sein.

Nein, im Moment ist es wiedermal nicht leicht öffentlich ein Sozi zu sein. Bezeichnenderweise war heute Regenwetter.

Als Resultat daraus werde ich mich am nächsten Sonntag wohl früh aus dem Bett quälen müssen. Meine Bundestagsabgeodnete gehört als Schatzmeisterin dem Parteivorstand an und ist auf dem parteiöffentlichen politischen Frühschoppen der Kreis-SPD, darum will ich wissen was wirklich ablief.

Der Brief meines neuen derzeitigen kommissarischen Parteivorsitzenden beantwortet meine Fragen nicht:

Lieber Andres,

Kurt Beck hat heute bei der Klausursitzung von Präsidium, geschäftsführendem Fraktionsvorstand, SPD-Bundesministern und –Ministerpräsidenten erklärt, dass er für das Amt des Parteivorsitzenden nicht mehr zur Verfügung steht.

Wir waren alle überrascht und schockiert. Kurt Beck hat die Partei gut durch eine schwierige Zeit geführt, er hat unsere Partei verstanden – und mit dem Hamburger Programm eine gute Grundlage für unsere künftige politische Arbeit gelegt.

Wir alle haben großen Respekt vor seiner Leistung, vor allem schulden wir ihm großen Dank.

Kurt Beck hat in der Sitzung erklärt, für ihn habe bereits seit geraumer Zeit festgestanden, dass ich die Kanzlerkandidatur übernehmen soll. Wir haben darüber oft und vertrauensvoll gesprochen.

Wir waren uns einig: Jetzt ist die Zeit reif, die Entscheidung zu treffen. Wir waren uns auch einig, dass mit dieser Personalentscheidung ein wirklicher Neuanfang in der Partei verbunden sein muss. Mit einem starken Zentrum, hinter dem sich die Partei geschlossen vereint. Die Kämpfe von Flügeln und Personen müssen ein Ende haben.

So haben wir es heute bei der Klausursitzung in einer intensiven Diskussion miteinander besprochen. Ich versichere Euch: Wir kennen unsere Verantwortung – für unsere Partei und für Deutschland. Eine starke Sozialdemokratie ist notwendig für unser Land. Wir wollen ein Land, in dem die starken Schultern für die Schwachen einstehen, und wo den Schwachen geholfen wird, stark zu werden. Das ist der Kern unserer sozialdemokratischen Idee.

Und auch wenn es ein schwerer Tag für unsere Partei ist: Ich habe heute gespürt, dass die Kraft dieser Idee bei uns allen lebendig ist. Wir sind uns einig, dass wir uns jetzt unterhaken und gemeinsam daran arbeiten, mit dieser Idee unser Land neu zu gestalten. Wir wollen, dass niemand am Rand der Gesellschaft liegen bleibt. Nur so stärken und erhalten wir den sozialen Frieden. Bis zur Bundestagswahl sind es noch 385 Tage – und wir werden sie nutzen.

Ich bin bereit, die SPD als Spitzenkandidat in diese Wahl zu führen. Das Präsidium hat entschieden, dass ich die Partei bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden führe. Wir werden ihn so bald wie möglich bei einem außerordentlichen Parteitag wählen. Ich habe vorgeschlagen, dass Franz Müntefering unser Parteivorsitzender wird. Das Präsidium ist meinem Vorschlag gefolgt.

Franz Müntefering verkörpert eine selbstbewusste, kämpferische Sozialdemokratie. Ich bin sicher, dass er wie kein anderer geeignet ist, die Partei mit ganzer Kraft zu einigen und mit mir gemeinsam erfolgreich in den Wahlkampf zu ziehen. Er ist dazu bereit.

Unsere Partei braucht eine starke Führung und ein starkes Zentrum. Mit den heutigen Beschlüssen haben wir die Weichen gestellt.

Heute beginnt nicht der Wahlkampf, aber wir starten mit der Aufholjagd für die Bundestagswahl 2009. Wir sind besser gerüstet als viele glauben. Wir werden uns auf unsere eigene Kraft konzentrieren. Ich trete nicht an, um auf Platz zu spielen.

Kämpfen wir gemeinsam und geschlossen dafür, dass in 385 Tagen wieder ein Sozialdemokrat Deutschland regiert!

Euer

Frank-Walter Steinmeier

Schön, vieles davon habe ich mittlerweile auch schon aus der Presse hören können. Dafür brauche ich den Brief nicht mehr. Aber antworten kann man ihm (wenn man die E-Mailadresse findet), und genau das habe ich gemacht.

Lieber Frank-Walter,

vielen Dank für Deine E-Mail in der Du mich über den Rücktritt von Kurt Beck als Vorsitzender der SPD informierst. Gleichzeitig möchte ich mich auch bei Dir stellvertretend für das große Theater bedanken das Ihr, die Parteispitze, uns heute serviert habt. Als Mitglied unserer Partei freut man sich echt wenn man mittels der Presse live dabei ist wenn sich die SPD selbst demontiert.

Wenn für Kurt, wie Du selbst schreibst, seit Monaten klar war das Du die Kanzlerkandidatur übernehmen sollst hätte er keinen Grund gehabt in dieser Situation jetzt zurückzutreten. Ein Parteivorsitzender muß nicht zwingend wegen seinem Amt gleichzeitig auch Kanzlerkandidat der SPD sein. Es ist legitim wenn er dafür jemand anders vorschlägt. Inwiefern der darüber zu entscheidende Bundesparteitag dem folgt oder jemand anderen wählt wird man sehen. Das gilt auch für den Fall einer Urwahl. Insofern halte ich seinen Rücktritt daher für nicht erforderlich.

Du bist zwar der Kandidat von Kurt, aber Du bist nicht mein Kandidat. Meiner Meinung nach brauchen wir als Kanzlerkandidaten jemanden, der klar für den vom Bundesparteitag im November 2007 mit unserem Grundsatzprogramm vorgegebenen Kurs steht. Jemand, der klipp und klar sagt wofür er und wofür die SPD steht. Für dieses Amt brauchen wir keinen, der sich nur diplomatisch weichgespült äußert.
Du machst zwar eine gute Arbeit als Außenminister, aber ich bin bis jetzt nicht überzeugt das Du uns erfolgreich in den Bundestagswahlkampf führen kannst. Es ist auch nicht so das die SPD keine anderen Personen hat die das nicht auch könnten, sie stehen nur nicht so in der Öffentlichkeit wie Du, beispielsweise unsere Schatzmeisterin Barbara Hendricks.
Überzeuge mich davon das Du der beste, nicht der einzigste, Kandidat für die SPD bist.

Ich lese es zwar gerne das die Parteiführung (wieder einmal) gemeinsam marschieren will, allein mir fehlt der Glaube. So oft wie wir in der letzten Jahren unsere Parteivorsitzenden verschlissen haben. Und jedes mal war man in der Parteiführung anschließend wieder geschlossen. Bis zum nächsten mal wo sich wieder alles wiederholte.
Nein, daran wird die jetzige Personalentscheidung nichts ändern. Die Heckenschützen im Parteivorstand werden weiterhin aktiv sein, zu unseren Lasten. Zu Lasten Eurer Basis. Damit werden Franz Müntefering als zukünftiger neuer Vorsitzender (über dessen Bereitschaft, den Vorsitz noch einmal zu übernehmen, ich mich freue) und Du leider auch noch Eure Probleme haben.

Ich stimme Dir darin überein das wir eine starke und kämpferische Sozialdemokratie brauchen. Die erreicht man aber nur mit der Basis gemeinsam. Darum bitte ich Dich als meinen derzeitigen kommissarischen Parteivorsitzenden darum, das Ihr, die Parteispitze, endlich und wirklich geschlossen nach außen steht. Wer sich daran nicht hält gehört rausgeworfen (aus Vorstand/Präsidium).
Nur wenn Ihr wirklich geschlossen seid können wir, die Basis, es gemeinsam schaffen das wieder ein Sozialdemokrat Deutschland regiert.

Diese E-Mail gibt meine persönliche Meinung wieder. Da Deine E-Mail von anderen Mitgliedern unserer Partei bereits auf mehreren Internetseiten von Ortsvereinen veröffentlicht wurde behalte ich mir vor, meine E-Mail an Dich auf meiner privaten Seite im Zuge der Kommentierung der heutigen Geschehnisse ebenfalls zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Andres Rennings
Geschäftsführer der SPD Goch

Mal sehen ob ich von ihm nochmal was hören werde…

Der Beitrag wurde am Sonntag, den 7. September 2008 veröffentlicht und wurde unter Politik und SPD mit den Tags , , , , , , , abgeheftet.
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7 Antworten auf “Steinmeier wird Kanzlerkandidat, Beck tritt zurück, Münte kommt wieder – also ein ganz normaler Sonntag in der SPD?”

  1. NobbiNo Gravatar sagt:

    Barbara? Kein schlechter Vorschlag 😉

  2. AndresNo Gravatar sagt:

    Sie spricht wenigstens so das die Leute sie auch verstehen und kein Diplomatendeutsch. 🙂

  3. NobbiNo Gravatar sagt:

    Da wird Münte schon für sorgen, dass Frank-Walter das auch noch hinbekommt. Aber trotzdem würde mich Barbaras Meinung zu Deinem Vorschlag interessieren. Du fragst sie ja am Samstag, gelle? 😉

    Allerdings kann ich mir ihre Antwort jetzt schon vorstellen…

  4. AndresNo Gravatar sagt:

    Ich habe sie ja nicht richtig vorgeschlagen sondern zufälligerweise „nur“ ihren Namen in dem Zusammenhang genannt. 😉
    Ich glaube sowieso nicht das Frank-Walter meine E-Mail zu Gesicht bekommen wird, dafür werden seine Mitarbeiter schon sorgen. Außerdem bin ich ja nicht komplett gegen ihn als Kandidaten, ich bin aber auch nicht komplett für ihn. Er soll mich überzeugen, dann sehen wir weiter.

    Der Parteivorstand hat ihn heute einstimmig nominiert. Da Barbara im PV sitzt wissen wir dadurch wie sie gestimmt hat. Eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage erübrigt sich dadurch wohl. Und warum Samstag? Sonntag morgen um halb 11. 😐

    Aber trotzdem, falls die Pressemeute am Sonntag vorm Eingang stehen sollte und unbedingt was zur Kandidatur Steinmeiers wissen will könnte man auch mal ein Gerücht verstreuen: „Er wurde nicht nominiert weil wir sonst keinen anderen haben. Alleine im Kreis Kleve haben wir drei, die dazu fähig sind oder dazu bereit wären. Eine sitzt im Bundestag und ein anderer im Landtag. Den dritten sehe ich jeden Tag.“
    Wer weiß was die daraus machen würden. Wahrscheinlich garnichts. 😀

  5. NobbiNo Gravatar sagt:

    Ach ja, Sonntag, habe gerade die Einladung in den Händen… Aber bei Deiner Zahl „Drei“ habe ich mich zuerst erschrocken – und dann vergnügt zurückgelehnt *g*.

  6. AndresNo Gravatar sagt:

    Denk‘ dran, bis morgen kannst Du Dich noch anmelden.

    Und was den Dritten da oben angeht…
    *flöt* 😉

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