Der alte Mann und die Scherenbühne

Eigentlich war es ein ruhiger Tag. Ein Tag, an dem vermutlich nichts unerwartetes passieren würde. Von draußen drangen auch nur wenige Geräusche in das Büro. Ein ruhiger Tag halt, wie der Name schon sagt.

Bis irgendetwas Seltsames da draußen leise zu hören war. Nur kurz, für wenige Sekunden. Dann wieder. Ein gleichbleibendes Muster kristallisierte sich heraus. Gleichzeitig wurde das nicht beschreibbare Geräusch langsam lauter. So als ob es sich in unsere Richtung bewegen würde. Mittlerweile klang es elektrisch. Als ob ein Elektromotor für ein paar Sekunden anlaufen und sofort abrupt stoppen würde. Irgendetwas war da draußen unterwegs. Man sah es nicht, aber überhören konnte man es auch nicht mehr.

Dann passierte es. Dieses „Etwas“ schob sich langsam von links ins vom Fenster vorgegebene Sichtfeld. Da draußen, gegenüber von unserem Fenster, war eine elektrische Arbeitsbühne unterwegs. Eine, die ohne Ausleger senkrecht nach oben fahren kann. Eine Scherenbühne.

Bestimmt gibt es sie in verschiedenen Variationen. Garantiert auch ferngesteuert oder allein fahrend programmiert. Dieses Exemplar gehörte aber nicht dazu. An der Bühne hing nämlich noch ein kleines Männchen. Genauer gesagt hing er nicht wortwörtlich daran. Am Geländer hing nur der Kasten, mit der sie bedient wurde. Er war eigentlich abnehmbar, nur mit einem Kabel mit ihr verbunden. So hätte man während der Fahrt ganz normal neben ihr herlaufen können.
Aber aus irgendeinem Grund geschah dies hier nicht. Der Kasten hing am Geländer, das Männchen legte den Hebel um, die Bühne beschleunigte, er kam nicht mit und zog den Hebel in die andere Richtung, die Bühne stand. Das wiederholte sich immer wieder. Das war also der Ursprung des Geräuschs.

So einen Anblick hatte man auch nicht alle Tage.

Eigentlich hätte dieses schon alles sein können. Man hört ein Geräusch, es schiebt sich von links etwas auf die Fensterbühne und verschwindet rechts wieder, es wird wieder so ruhig wie zuvor als ob nichts geschehen wäre. Eigentlich. Aber nicht hier.
Das Männchen hatte wohl etwas vor. Als die Arbeitsbühne an einem für ihn richtigen Platz stand kletterte er auf sie hinein. Leiter an bestimmten Stellen sind wahrlich eine gute Erfindung. Wer weiß wie er es sonst dort hinein geschafft hatte.

Er wollte hoch hinaus. An einer grauen Wand, die die besten Jahr(zehnt)e schon lange hinter sich hatte. Was er dort wollte, man wußte es nicht. Aber einen Grund mußte es geben, warum leiht man sich sonst so ein Gerät aus? Hochkommen, ja, das ist aber nicht immer sehr leicht. So wie hier.
Der Anfang sah ja noch gut aus. Eine vielleicht 2 Meter lange Bühne mit üblich hohem Geländer. In der Mitte davon ein Mann, vielleicht 1,60 Meter hoch. Und dieses Ensemble wollte nach oben hin entschwinden. Die ersten Meter klappte es auch.

Dann: Piep, Piep, Piep, Piep, Stillstand. Nichts ging mehr (nach oben).

Wieder nach unten.

Ein erneuter Versuch.

Piep, Piep, Piep, Piep.

Und nochmal das ganze…

Ein wirklich interessanter Anblick, wie ein kleiner, wettergegerbter Mann dann da oben steht, alleine, und nicht weiß was los ist. Wenn die Kappe und die Zigarette im Mundwinkel noch gewesen wäre, man hätte fast meinen können, dort stünde Willi Wacker. Ratlos an den Hebeln ziehend. Irgendwann erkennend, daß in dem Kasten, der dort oben mit angebracht ist, große Karten sind, die eine Art Betriebsanleitung sein könnten. Was aber wohl auch nicht viel brachte, da die Hebel auch danach noch erfolglos in alle mögliche Richtungen umgelegt wurden.

Es half alles nichts. Er fuhr wieder nach unten und ließ die Bühne einfach stehen, während er dahin verschwand, von wo er gekommen war.

Wo auch immer es war, ein schwarzes Loch gab es dort nicht. Irgendwann tauchte er wieder auf, in Begleitung eines langen Dürren. Holzplatten hatten sie mitgebracht. Diese legten Sie auf einer Seite vor den Rädern und fuhren dann darauf. Die Arbeitsbühne quälte sich förmlich auf sie. Aber sie schafften es. Offensichtlich stand sie vorher nicht in der Waage, weshalb sie nicht vollständig hochgefahren werden konnte. Das Männchen kletterte wieder in die Bühne und entschwebte so nach oben aus unserem Blickfeld.

Rapunzel ließ früher ihr Haar herunter, er ließ, vielleicht nicht nur aus Ermangellung ausreichender Haarpracht, ein Maßband herunter, welches der lange Dürre, der noch immer anwesend war, ablies. Wir hatten keine Ahnung warum jemand diese Mauer ausmaß.
Als die Arbeit getan war kam er wieder zurück auf den Boden der Tatsachen und bewegte die Bühne, nebenherlaufend, weiter nach rechts.

Angeblich soll es auch Leute geben, die Linkskurven damit problemlos fahren können…

Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 30. September 2010 veröffentlicht und wurde unter Allgemein mit den Tags , abgeheftet.
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